Predigt von P. Peter Willi FSO
in der Pfarrkirche Gisingen,
Sonntag, 22. Juli 2018
Evangelium: Markus 6, 30-34
Liebe Gläubige!
Wussten Sie, dass Jesus seine Jünger eingeladen hat, mit ihm Erholungstage zu verbringen? Ja, er tat es und die Apostel hatten es nötig. Markus berichtet uns – wir haben es soeben gehört – dass so viele Menschen kamen und gingen, dass sie nicht einmal mehr Zeit zum Essen hatten. Heute würden wir sagen: Was für ein Stress! Gehen wir mit dem Wort Stress etwas sparsamer um. Es gehört doch zum Leben, dass man periodisch mehr leisten muss und die Tage dann einfach voll sind. Benennen wir nicht jede Belastung mit dem Wort Stress. Für Jesus war es normal, alle Kräfte in die Waagschale zu werfen. Aber er wusste auch: Nach anstrengenden Zeiten braucht es Ruhe. Deshalb sagte er zu den Aposteln: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus“ (Mk 6, 31). Jesus wollte, dass seine geliebten Freunde in der Stille zur Ruhe kommen sollen.
Wir alle sollten den Wert der Stille entdecken lernen. Warum? Ich nenne vier Gründe.
Stille hilft, um innerlich ruhig zu werden.
Wir leben in einer Welt der Reizüberflutung, der zahllosen Worte und Bilder, mit denen wir durch Bücher, Zeitschriften, Radio, Fernsehen, Internet, Handy und Filme beliefert werden. Der kluge Mensch setzt sich da Grenzen und sagt: Jetzt genug. Ich muss mich selber schützen. Kluge Eltern helfen ihren Kindern, beim Gebrauch von Handys, Internet usw. Grenzen zu setzen. Dasselbe gilt für die Arbeit. Arbeiten ist gut, aber wir dürfen keine Workoholiker werden, die berauscht sind von der Arbeit. Es braucht die Stille, um innerlich ruhig zu werden.
Stille hilft, um das Leben zu verarbeiten
Wie viele Erfahrungen bringt das Leben. Sie müssen verarbeitet werden. Die Ruhe und die Stille helfen uns dazu. Wenn das nicht geschieht, sind wir burn-out gefährdet, d.h. sind wir gefährdet, ausgebrannt und ausgelaugt zu werden. Das Übermaß raubt uns die innere Mitte.
Im Evangelium dieses Tages werden wir noch auf eine andere Weise verwiesen, wie wir Erlebtes oder Erlittenes verarbeiten können: durch das Gespräch. Jesus hat sich Zeit genommen, den Aposteln zuzuhören (vgl. Mk, 6,30). Sie konnten ihm alles erzählen, was sie erlebt hatten. Das war damals wichtig, das ist heute wichtig. Kinder brauchen Eltern, die ihnen zuhören. Erwachsene Menschen brauchen einen Ehepartner oder einen oder mehrere Personen des Vertrauens, die zuhören. Sich aussprechen können bei jemandem, der zuhört, Bestätigung und auch Korrektur, einen Ratschlag oder eine Rückmeldung gibt, das hat einen wunderbaren Erholungs- und Entlastungseffekt. Nicht wenige Menschen bräuchten einen zuhörenden Mitmenschen viel dringender als das reiche Angebot eines Wellness-Hotels.
Stille hilft, um sich selbst begegnen zu können
Lebenskunst besteht darin, über sich selbst und über das eigene Leben nachzudenken. Manche Menschen tun sich schwer damit und müssen dies erst lernen und wieder andere haben Angst davor. Es gibt nicht nur die Flüchtlinge, die an einen anderen Ort fliehen müssen, es gibt auch die Flüchtlinge vor sich selbst, d. h. Menschen, die Angst haben vor einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben in Gegenwart und Vergangenheit. Geglücktes Menschsein geht nicht ohne Begegnung mit sich selbst.
Stille hilft, um Gott zu begegnen
Mutter Julia Verhaeghe sagte einmal: „Die Stille ist die Atmosphäre, in der sich Gott mitteilen kann.“ In der Stille verweilen ist nicht in der Einsamkeit verweilen. Wer Gott sucht, findet ihn auf vielfältige Weise. Eine Weise ist die Stille. Er begegnet uns in der Stille. An stillen Orten und in stillen Momenten können wir ihn hören.
Stille hilft, um innerlich ruhig zu werden.
Stille hilft, um das Leben zu verarbeiten und zu ordnen.
Stille hilft, um sich selbst zu begegnen.
Stille hilft, um Gott zu begegnen.
Liebe Gläubige, suchen Sie die Stille! Lernen Sie, in der Stille zu verweilen! Suchen Sie die Stille – zuhause in den eigenen vier Wänden oder im Garten. Suchen Sie die Stille in Gottes wunderbarer Schöpfung: auf einem Berg, an einem Ufer, im Wald. Suchen Sie die Stille in einer unserer vielen schönen Kirchen und Kapellen. Wenn es dort einen Tabernakel gibt, dann erwartet sie dort Jesus Christus, dessen größte Freude und Sehnsucht es ist, die Besucher des Gotteshauses mit seiner Kraft zu beschenken. Suchen Sie die Stille nicht nur an Ferientagen, sondern das ganze Jahr hindurch, besonders auch am Sonntag. Ringen Sie um die Stille. Zeit, die wir bewusst in der Stille verbringen, ist keine verlorene Zeit, ganz im Gegenteil: Es ist gewonnene Zeit. Amen.
Der afrikanische Kardinal Robert Sarah schrieb ein großartiges Buch über die Stille.
Robert Kardinal Sarah und Nicolas Diat. Kraft der Stille. Gegen eine Diktatur des Lärms. Mit einem Vorwort von Papst em. Benedikt XVI. fe-Medienverlag 2017.
Vier Zitate daraus:
Stille und Friede sind wie zwei Herzen, die im gleichen Takt schlagen (S. 44).
Die schönsten Dinge des Lebens ereignen sich in der Stille (S. 44).
Ohne die Stille verschwindet Gott im Lärm (S. 105).
Durch die Stille können wir das göttliche Feuer in uns am Brennen erhalten (S. 100).