Predigt von P. Johann Fenninger am 26. August 2018
Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Ich möchte heute in meiner Predigt das Augenmerk auf die zweite Lesung aus dem Epheserbrief legen; denn diese Lesung gehört zu jenen Stellen in der Hl. Schrift, die den Gläubigen am meisten Schwierigkeiten bereiten. Paulus empfiehlt den Ehemännern, ihre Frauen zu lieben. Damit sind alle noch einverstanden; aber im selben Atemzug empfiehlt Paulus den Frauen, sich den Männer in allem unterzuordnen; dies scheint in unserer Gesellschaft ganz und gar unannehmbar zu sein; in unserer Gesellschaft, die sich der Gleichwertigkeit der Geschlechter sehr bewusst ist, was natürlich gut ist so.
Sollen wir nun –wie das sicherlich heute wieder in nicht wenigen Gottesdiensten geschehen wird- dieses Wort des Hl. Paulus einfach weglassen? Kann hierin die Lösung bestehen, dass man Abstriche an das Wort Gottes macht? Ich denke nicht. Die Lösung scheint mir anderswo zu liegen, und zwar in der Gegenseitigkeit. Was meine ich damit? Die Liebe und ins Besondere die partnerschaftliche Liebe muss immer gegenseitig sein. Und deshalb gilt das, was Paulus vom Mann sagt, gleichermaßen für die Frau und was er von der Frau sagt genauso für den Mann. Konkret: nicht nur der Ehemann ist verpflichtet seine Frau zu lieben wie seinen eigenen Leib, sondern auch die Ehefrau ist verpflichtet, ihren Mann so zu lieben. Und nicht nur die Gattin muss sich in allem ihrem Gatten unterordnen, sondern auch der Mann seiner Frau. Es geht in der Ehe um die gegenseitige Liebe, die aufs Ganze geht; und das schließt in jedem Fall auch die gegenseitige Unterordnung ganz wesentlich mit ein.
Aber was ist mit dem „Sich unterordnen“ konkret gemeint? Dazu könnte man jetzt sehr vieles sagen; ich will mich auf ein paar wenige Aspekte beschränken. Mit dem „Sich Unterordnen“ ist z.B. ein bestimmtes Rücksicht-Nehmen auf den Willen des anderen gemeint: Wenn mein Partner einfach so gerne einmal da oder dort hingehen würde, dann muss ich darauf eingehen; oder: auf seine / ihre Meinung und auf seine / ihre Empfindlichkeiten zu achten: Wenn dem anderen bei meinem rasanten Fahrstil immer schlecht wird, dann muss ich meinen Fahrstil ändern, zumindest dann, wenn mein Ehepartner mit mir im Auto fährt; oder, dass man ohne die zumindest vermutete Zustimmung des anderen grundsätzlich nichts Wichtiges entscheiden will; oder: die Bedürfnissen des anderen wahrzunehmen und diesen zu dienen,…. Kurzum, es geht für die Eheleute darum, sich immer und immer wieder bewusst zu machen, dass sie sich in der Ehe einander ganz zum Geschenk gemacht haben, und zwar mit allem, was sie sind und haben; und das hat nun einmal zur Folge, dass der eigene Individualismus (wohlgemerkt nicht die eigenen Individualität) aufgegeben werden muss. Ich weiß es nicht, aber ich vermute einmal, dass heute nicht wenige Ehen gerade an diesem Punkt scheitern.
Damit die Glut der ehelichen Liebe erhalten bleibt, muss die eheliche Liebe unbedingt gepflegt werden. Das kann z. B. durch materielle oder geistige Geschenke geschehen, die eine bestimmte innere Aufmerksamkeit für den anderen zum Ausdruck bringen. Ich finde es sehr schön, wenn Eheleute auch noch Jahren ihres gemeinsamen Lebens einander mit einem schönen Armband oder sonst etwas, das Freude bereitet, überraschen. Und ich möchte auch alle Ehepaare dazu ermutigen, immer wieder einfach nur zu zweit etwas Schönes zu unternehmen; die eigene Zeit dem Partner zu schenken, und nur ihm.
Kommen wir zum Schluss: In dem Abschnitt aus dem Epheserbrief, den wir heute gehört haben, stellt der Hl. Paulus den christlichen Eheleuten jenes Liebesverhältnis als Vorbild vor Augen, das zwischen Christus und der Kirche besteht. Und Paulus erklärt selbst, was dieses Liebesverhältnis ausmacht; er sagt: „Christus hat die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben“. Wahre eheliche Liebe zeigt sich – auf einen kurzen Nenner – gebracht in der Ganzhingabe an den anderen. Amen.
Quelle: Raniero Cantalamessa: Das geteilte Joch der wahren Liebe, Predigt zum 21. So. i. Jahreskr. – B, (2006)