Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Was hat es für einen Sinn, dass wir heute zusammengekommen sind, um unserer Toten zu gedenken? Wir sind zusammengekommen nicht nur, um uns unserer lieben Verstorbenen zu erinnern; nicht nur deshalb, dass sie –wie man gerne und sogar mit Recht sagt- „weiterleben in unserer Erinnerung“. Ein bloßes „Sich Erinnern an unsere lieben Verstorbenen“ wäre hier und heute wohl zu wenig; wie kurz ist unsere Erinnerung, wie schnell ist sie vorbei?
Das heutige Totengedenken soll mehr sein als eine bloße Erinnerung!
Die Feier am heutigen Nachmittag lädt als erstes uns selber ein, uns unserer eigenen Sterblichkeit bewusster zu werden. Wir werden nicht ewig hier auf Erden leben. Auch wir werden einmal hinabsteigen ins Reich der Toten. Im Tod wird sich unser Leib von unserer Seele trennen. Unser Leib wird dabei verwesen; wird sterben; die Seele jedoch nicht, sie kann nicht sterben, weil sie unsterblich ist; auf ewig lebt sie weiter!
Was heißt das konkret? Konkret heißt das für mich, dass mein Denken, mein Fühlen, mein Wollen, dass vor allem meine Liebe -also alles, was meine Seele / meine Lebensgeschichte ausmacht, dass all das in meinem Tod eben nicht sterben wird, sondern sich „nur“ vom Leibe trennen und dann dem Herrn entgegengehen wird. Und was geschieht mit meinem Leib? Auch mein Leib ist von Gott vorherbestimmt für ein ewiges Leben, für das ewige Heil.
Das Christentum predigt nicht nur das Heil der Seele; nein, das Christentun predigt auch das Heil des Leibes. Und so wartet unser toter Leib (bzw. unsere Asche) auf seine Auferstehung am jüngsten Tag. In der Auferstehung wird es schließlich zu einer Wiedervereinigung mit der Seele kommen. Übrigens: Das bekennen wir Sonntag für Sonntag im Glaubensbekenntnis. Wir sagen: ich glaube an die Auferstehung der Toten. Was damit gemeint ist, bringt der lateinische Originaltext noch besser zum Ausdruck: resurrectio carnis – ich glaube an die Auferstehung des Fleisches oder des Leibes, heißt das wörtlich übersetzt. Unser Leib wird sich demnach trotz der Verwesung nicht ins völlige Nichts auflösen. Vielmehr wird Gott aus ihm einen neuen Leib schaffen und ihn mit unserer Seele wieder vereinen.
Und darin, liebe Schwestern und Brüder in Christus, liegt auch der eigentliche Sinn der heutigen Gräbersegnung: Indem wir die Gräber segnen übereignen wir sie dem Herrn; denn diese Gräber sind es, die jene sterblichen Überreste bergen, die der Herr einst auferwecken und mit der Seele wieder vereinen wird. Im Johannesevangelium heißt es dazu: Alle Menschen, die gestorben sind, werden einst auferstehen; die, die das Gute getan haben zum Leben, die, die das Böse getan haben, zum Gericht.
Die Feier des heutigen Nachmittags lädt uns schließlich auch ein, für unsere Toten zu beten. Indem wir für unsere Toten beten, bringen wir unseren Glauben zum Ausdruck, dass wir tatsächlich noch etwas tun können für unsere Verstorbenen. Zum Ernst des Gebetes gehört auch das Wissen dazu, dass die Verstorbenen nach dem Tod nicht schon automatisch vollendet sind. Alles noch Unvollkommene will noch gereinigt werden, damit wir uns wohl fühlen können in der Gegenwart dessen, der da ganz und gar heilig ist.
In Bezug auf diese Reinigung können wir, die wir noch auf dieser Erde leben, sehr viel tun: durch unser Gebet, durch unsere Opfer, durch Werke der Liebe.
In der großen Hoffnung, dass der Herr alle unsere lieben Verstorbenen aufnehme in sein Reich der ewigen Glückseligkeit beten wir jetzt für sie: Herr, gib allen Verstorbenen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen. Lass sie ruhen in Frieden. Amen.
P. Johann Fenninger FSO
Predigt am Fest Allerheiligen, 1.11.2022 zur Gräbersegnung